ARUG II

ARUG II: Seit heute gelten neue Regeln zur Aktionärskommunikation und -identifikation

2020

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) ist seit 1. Januar 2020 mit Übergangsregelungen für einzelne Regelungsbereiche in Kraft getreten. Ab dem 3. September 2020 sind die in §§ 67a ff. AktG enthaltenen Neuregelungen zur Verbesserung der Kommunikation mit Aktionären und zur Aktionärsidentifikation sowie zugehörigen Änderungen des Aktiengesetzes, etwa des § 125 AktG, anzuwenden. Die neuen bzw. geänderten Bestimmungen des Aktiengesetzes finden erstmals auf Hauptversammlungen Anwendung, die nach dem 3. September 2020 einberufen werden.

Die Neuregelungen in §§ 67a ff. AktG sollen die Kommunikation zwischen börsennotierten Gesellschaften und ihren Aktionären verbessern, um dadurch die Ausübung von Aktionärsrechten und die Mitwirkung der Aktionäre zu erleichtern. Hiermit wird mittelfristig eine Verbesserung der Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften verfolgt. Der Informationsaustausch zwischen börsennotierten Gesellschaften und ihren Aktionären soll durch eine verstärkte Verpflichtung der Intermediäre, d.h. der Personen, die Dienstleistungen z.B. bei der Verwahrung oder der Verwaltung von Wertpapieren oder der Führung von Depots für Aktionäre Personen erbringen, bewirken. Intermediäre erbringen Dienstleistungen wir z.B. die Weiterleitung und Übermittlung bestimmter Informationen  von der börsennotierten Gesellschaft an die Aktionäre sowie von den Aktionären an die börsennotierte Gesellschaft. Zudem wird börsennotierten Gesellschaften ein Informationsanspruch gegenüber den Dienstleistern zur Identifikation ihrer Aktionäre eingeräumt.

Die wesentlichen Neuregelungen im Einzelnen

Im Folgenden möchten wir die wesentlichen Neuregelungen in §§ 67a ff. AktG näher beleuchten:

Wen betreffen die Neuregelungen?

Die Bestimmungen in §§ 67a ff. AktG finden grundsätzlich Anwendung auf börsennotierte Gesellschaften, deren Aktien an einem geregelten Markt im In- oder Ausland notiert sind, nicht auf solche, deren Aktien im Freiverkehr gehandelt werden. Neben Gesellschaften mit Sitz in Deutschland werden auch Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der EU einbezogen, denen wie inländischen Gesellschaften ein Informationsanspruch hinsichtlich der Identität ihrer Aktionäre nach § 67d AktG zusteht. Die Weiterleitungs- und Übermittlungspflichten der Wertpapierdienstleiter umfassen auch Informationen, die sich auf börsennotierte Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union beziehen.

Für Wertpapierdienstleister gelten die Vorschriften nach §§ 67a ff. AktG unabhängig davon, ob sie ihren Sitz innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union haben.

Informationen über Unternehmensereignisse

Börsennotierte Gesellschaften müssen zukünftig Informationen über Unternehmensereignisse, die den Aktionären nicht direkt oder von anderer Seite mitgeteilt werden, zur Weiterleitung an die Aktionäre an die im Aktienregister Eingetragenen, soweit die Gesellschaft Namensaktien ausgegeben hat, und im Übrigen an die Wertpapierdienstleiter, die Aktien der Gesellschaft verwahren, übermitteln (§ 67a AktG).

Unternehmensereignisse sind Ereignisse, die mit Aktien verbundene Rechte beinhalten und die zugrunde liegenden Aktierechte beeinflussen können. Dazu zählen z.B. die Gewinnausschüttung und die Hauptversammlung (Beachte, dass für deren Einberufung § 125 AktG gilt), aber auch Umtausch-, Bezugs-, Einziehungs- und Zeichnungsrechte sowie Wahlrechte bei Dividenden. Keine Unternehmensereignisse in diesem Sinne sind kapitalmarktrelevante Unternehmensnachrichten (AD Hoc- Nachrichten), die zwar geeignet sind, den Aktienkurs zu beeinflussen, aber nicht die Rechtsausübung der Aktionäre betreffen. Die Vorschrift des § 67a AktG soll keine neuen Informationspflichten der Gesellschaft begründen, sondern lediglich gewährleisten, dass Informationen, die die Gesellschaft den Aktionären nach geltenden Bestimmungen erteilen muss, über die Dienstleistungskette weitergegeben werden.

Die Informationen über Unternehmensereignisse sind den Intermediären elektronisch zu übermitteln. Für die Übermittlung der Informationen kann die Gesellschaft Dienstleister (z.B. Bundesanzeiger, WM-Service) beauftragen. Intermediäre haben die erhaltenen Informationen grundsätzlich durch die Kette, d.h. vom Zentralverwahrer bis zum Letztintermediär, der Aktien der Gesellschaft für einen Aktionär verwahrt, elektronisch weiterzuleiten. Der Letztintermediär ist verpflichtet, dem Aktionär, dessen Aktien er verwahrt, die von der Gesellschaft oder einem anderen Intermediär erhaltenen Informationen zu übermitteln (§ 67b AktG). Dabei eröffnet die Kostenregelung des § 67f AktG die Möglichkeit, dem Aktionär die Kosten für schriftliche Mitteilungen aufzuerlegen, um Anreize für die elektronische Kommunikation zu setzen. Intermediäre (einschließlich des Letztintermediärs) haben ebenfalls die Möglichkeit, für die Weiterleitung und Übermittlung der Informationen auf Dienstleister zurückzugreifen.

Sonderfall: Mitteilung der Einberufung der Hauptversammlung

Für das Unternehmensereignis „Einberufung der Hauptversammlung“ gelten aufgrund der besonderen Fristerfordernisse weiterhin die gesonderten Bestimmungen des § 125 AktG.

Der Vorstand einer Gesellschaft, die nicht ausschließlich Namensaktien ausgegeben hat, ist demnach verpflichtet, die Einberufung der Hauptversammlung mindestens 21 Tage vor dem Termin den Dienstleistern, die Aktien der Gesellschaft verwahren, mitzuteilen. Bei Namensaktien ist die Einberufungsmitteilung zu Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung im Aktienregister Eingetragenen zu machen. Die Mitteilungspflicht gilt für börsennotierte und nicht-börsennotierte Gesellschaften. In beiden Fällen sind börsennotierten und nicht-börsennotierten Gesellschaften die Wertpapierdienstleiter zur Weiterleitung und Übermittlung der Einberufungsmitteilung entlang der Intermediärskette verpflichtet.

Informationen zur Ausübung der Aktionärsrechte

Verwahrstellen sind verpflichtet, Informationen über die Ausübung der Rechte der Aktionäre in Bezug auf ein Unternehmensereignis (z.B. das Stimmrecht in der Hauptversammlung oder das Bezugsrecht gemäß § 186 AktG) weiterzuleiten und an die Gesellschaft zu übermitteln (§ 67c AktG). Die Vorschrift des § 67c AktG regelt somit den Rücklauf von Informationen über Unternehmensereignisse vom Aktionär zur Gesellschaft.

Die Verwahrer können die Informationen direkt an die Gesellschaft übermitteln oder aber an den nächsten Dienstleister in der Kette weitergeben. Die Aktionäre können Weisungen erteilen. Bei elektronischer Stimmabgabe ist der Eingang der Stimmabgabe jeweils von der Gesellschaft elektronisch zu bestätigen (§ 118 Abs. 1 AktG). Darüber hinaus kann jeder Aktionär von der Gesellschaft innerhalb eines Monats nach der Hauptversammlung eine Bestätigung darüber verlangen, ob und wie seine Stimme gezählt wurde (§ 129 Abs. 5 AktG).

Informationsanspruch hinsichtlich der Identität des Aktionärs

Börsennotierte Gesellschaften haben gegenüber den Wertpapierdienstleistern, die Aktien der Gesellschaft verwahren, einen Informationsanspruch hinsichtlich der Identität des Aktionärs („know your shareholder“), sowie hinsichtlich der Identität des nächsten Wertpapierdienstleisters (§ 67d AktG). Der Informationsanspruch reicht weiter als die bisherigen bei Namensaktien bestehenden Identifikationsmöglichkeiten und gilt auch für Inhaberaktien. Damit stellt das Konzept des „know-your-shareholder“ vor allem bei Inhaberaktien eine wesentliche Neuerung dar.

Die Vorschrift des § 67e AktG berechtigt dabei die Wertpapierdienstleister zur Offenlegung von Informationen über die Identität von Aktionären gegenüber der Aktiengesellschaft, ohne dass sie damit gegen vertragliche oder gesetzliche Verbote verstoßen würden. Ist der Verwahrer zur Beantwortung des Informationsverlangens nicht in der Lage, weil ihm die erforderlichen Daten nicht bekannt sind, trifft ihn insoweit jedoch keine Nachforschungspflicht. Ebenso besteht auch keine gesetzliche Pflicht des Aktionärs zur Mitteilung dieser Daten an den Verwahrer; bei Namensaktien besteht eine solche Verpflichtung unmittelbar gegenüber der Gesellschaft (§ 67 Abs. 1 Satz 2 AktG). Für Treuhandverhältnisse und sonstige Vereinbarungen zwischen demjenigen, dem die Aktien „gehören“ und Dritten, bleibt es allerdings bei der für die Praxis wichtigen Einschränkung, dass die Aktiengesellschaft darüber keine Auskunft verlangen kann.

Beim Verfahren zur Identifizierung von Aktionären ist die Einschaltung von Dienstleistern durch die Gesellschaft und Intermediäre möglich.

Umsetzungfristen

Die §§ 67a ff. AktG enthalten umfassende Verweisungen auf die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212 vom 3. September 2018, die enge Vorgaben zu Format und Inhalt, aber auch zu den Fristen der Informationsübermittlung macht.

Nach der Durchführungsverordnung hat die Gesellschaft bei einem Unternehmensereignis den Wertpapierdienstleistern die Informationen über das Unternehmensereignis rechtzeitig und spätestens am Geschäftstag, an dem das Unternehmensereignis bekanntgegeben wird, zur Verfügung zu stellen. Die Übermittlung von Informationen muss durch die Gesellschaft so rechtzeitig  erfolgen, dass den betroffenen Marktteilnehmern genügend Zeit verbleibt, um auf die erhaltenen Informationen zu reagieren.

Für die Dienstleister gilt hinsichtlich der Weiterleitung und Übermittlung von Informationen ebenfalls ein strenges Fristenregime der unverzüglich Informationsweitergabe.

Kosten

Aufwendungen der Intermediäre, die im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten nach §§ 67a AktG anfallen, sind regelmäßig von der AG zu tragen (§ 67f AktG).

Sanktionen

Verstöße der Dienstleister gegen die Weiterleitungs- und Übermittlungspflichten nach §§ 67a ff. AktG sind Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Bußgeld geahndet werden können.